domingo, 4 de diciembre de 2011

DIE MAUER

Aus Berlin, 2011
Übersetzung/Traducción: Simone Reinhard
DIE MAUER (Fragmentos)

Ich bin zum Frisör gegangen
um dem Scherenklappern zu lauschen
Zwei weiche, von lauwarmem Wasser
umspülte Hände zu spüren

Des guten Tons wegen mache ich es den anderen nach:
            blättere in einer Modezeitschrift mit Prinzessinnen, die sich auf der anderen Seite der Erdkugel in Glitzerroben verlieren

Jetzt steht Er auf dieser Seite
während Sie im Westen bleibt

Obwohl ich akzeptieren muss, dass unsere Standorte austauschbar sind
Überspringst du heute eine Linie
Und es ist Meer oder Land      Land oder Meer
Oder du strauchelst und fasst Fuß in beiden Orten
Und Süden und Norden werden zu einem einzigen Raum, dessen Geografie keine zwei Seelen wie Dich oder Mich beherbergen kann
Ohne unterzugehen

Hättest du auf mich gehört
Hätten wir im Schein einer radikalen feministischen Ästhetik die Welt überflogen
Jede Grenze vernichtet, Meridian wie tückischen Äquator

Und alle Mauern und auch die erbärmlichen Schikanen an den Checkpoints zunichte gemacht

Kein Platz wäre gewesen für den Osten oder den Westen
Weder würden der Río Bravo noch die Wüste existieren
Doch was wurde aus Tarapacá und Arica?
Jetzt muss ich jedes Mal, wenn ich lande,
die grausige, nicht gerade wohltuende Frage beantworten

Warum bist du nach Peru zurückgekehrt?

Ich probe nichtssagende Antworten

Und frage mich ob darunter irgendeine befriedigende ist

(hier siehts doch so aus: give satisfaction to everyone
Wir zählen nicht
Das haben sie uns von klein auf beigebracht
in diesen anständigen peruanischen Familien, aus denen wir stammen)

Auch wir haben unsere Mini-Mauer in Peru
Der Abglanz von Limas Pracht ist an die Ränder
                                                                                    einer ungeahnten Welt verbannt
Eine Touristenreliquie am Fuße des Rímac nimmt schüchterne und stille Seelen
Wie Mich auf

Während Die Mauer (die echte)
unter dem bedrohlichen Blitzlichtgewitter rüstiger Kameras einstürzt
Bleibt von ihm nichts als die schmachvolle Erinnerung an die Verbannung
Und doch war unsere Kreativität damals fruchtbar
                                    sich das Drüben vorzustellen war ein Zeichen von Glück

Und heute umgeben von Frisörutensilien
Verlegen über die Farbklumpen auf meinem Kopf
Konfrontiert mit Unbekannten
Höre ich die Kundinnen vom Wetter und den steigenden Preisen auf dem Markt reden

Zwischen Ihnen und Mir ist nur Schweigen.
                                                                       
                                                            ^*^



Ela, Elle, Ella, She, Lei, Sie
(R. Lira)

Reumütig wie einen Tempel betritt sie das Shoppingcenter

Nach dem ersten Schreck über die Bastion der neuen Kultur
Erholt sie sich rasch  Sie weiß, Gott ist schon lange tot
                                    und schlendert ohne schlechtes Gewissen durch ihre Gänge
schwenkt den Po  treppauf treppab  betrachtet sich in Spiegeln

Die Unterwäsche und  die Flachbildschirme
fordern sie auf,  in eine neue Poetik einzutauchen
An eine Welt der günstigen Möglichkeiten zu glauben

Schlagartig wird Sie im Raum der Unterdrückung
von Wesen umworben, die mit vermeintlichen  „Schnäppchen“  auf sie zustürmen
Lauter Krimskrams, um die Leere ihres nicht besonders anziehenden Körpers
durch eine sofortige Transaktion in Kauf zu nehmen

Die Poesie ist heutzutage eine angenehme Begleiterin
                         Schmiedet Reime und prunkt in postindustriellen Küchen

Schon lange hat Sie den politischen Kampf aufgegeben und verkauft sich zwar
            zu gemäßigten Preisen, doch nicht unter (ihrem) Wert

Die Wechselbeziehungen oder sexuellen Tauschgeschäfte hier
sind nicht zu unterschätzen und Sie beschließt die Reise durch die Welt der grauen Konten 
       mit einer einzigen Rate zu bezahlen
(Der reinste Adrenalinstoß)

Macht es einen Unterschied ob ein Mauerkünstler der Peripherie dich begehrt
oder ein Designer-Schlafsofa dich verschlingen rauben beherrschen soll?
In der versperrten Umkleidekabine kritzelt Sie ein Gedicht
Denkt an die Wandgemälde von EMC und die Gedichte von JRR und schreibt
V war hier”  
dann geht sie hinaus
um die Welt
- wie alle
mit ihrer Begierde zu füllen


(Unverständlich ist mir, was es darüber hinaus geben soll
Außer Ihn und  Sie, die im gleichen hygienischen Territorium des Supermarktes überleben)


^*^

Vater

Unausweichlich kehre ich zurück zumIch

Ich Du Sie Wir Sie
Dabei würde ich gerne das Es betreten         Und irgendwie besetzen
So wie viele diesen Raum besetzt haben
Die körperliche Distanz, mit der ich mir jede äußere Pein vom Leibe halten möchte


Anscheinend trennt mich ein ganzes Leben von JRR
Immerhin sind wir beide mehrfach von Norden nach Süden oder von Süden nach Norden gereist
wenn die Umstände und der Klimawechsel unserer Körper es zuließen

JRR ist der Surrealist in mir

Bald entwischt mir seine liebe Liebe bei Vollmond
In einem rasanten Taxi
Das jemand mit glühender Zündkerze auf dem Weg zum Flughafen zu Schrott fährt
Und vielleicht ist das ein Zeichen
Noch mal um die Welt zu fliegen
und frontal fotografiert zu werden
im Passformat
                                                und wieder Anträge auszufüllen

Dieser ganze Alptraum, den wir manchmal frohlockend leben

Völlig unvermutet
fragt mich der Taxifahrer nach meiner Telefonnummer

Und ich verweigere sie ihm
                                                aus Standesgründen
-Tut mir Leid
-Entschuldigung

Aber so wurde ich nun mal erzogen, und es gibt Dinge die ändern sich nicht

Und wieder bist du zurückgeworfen auf das finstere Haus deiner Kindheit
Auf dieses vom Wahnsinn und Alter brüchige Gemäuer 

Alles was du irgendwann einmal erhaschen wolltest, hat sich verflüchtigt


Und diese von den Touristen so inbrünstig geküsste Mauer bricht gemächlich zusammen
unter dem sengenden Spiegel deiner Tränen
als du erfährst dass
Juan Ramírez Ruiz
Begründer und Anführer der Dichtergruppe Hora Zero
    tot und begraben unter dem Alias
                                                                        NN liegt

Dann schließt du die Augen und spielst wieder mit dem Ring an deinem Finger
während die Zeit vergeht, die dich vom Tod trennt

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